Rosanne Cash “She Remembers Everything”
Veröffentlichung des Albums am 2.11.2018 (CD, CD Deluxe, LP, digital)
Auch in einer aus den Fugen geratenen Welt darf man durchaus noch Träume haben, und Rosanne Cash besingt diese Träume mit unerschütterlicher Leidenschaft auf ihrem neuen Studioalbum “She Remembers Everything”, das am 2. November bei Blue Note Records erscheint.
Cashs Album bietet flirrenden Pop mit Twang- und Jazz-Anklängen, der für die amerikanischen Nachkriegsmusik geradezu typisch ist. Aber die Strahlkraft und Klarheit dieser Musik wurde hier mit einer dunkleren Vision durchsetzt. Pointierter Gesang, Mollakkorde und gebogene Töne destabilisieren die musikalische Landschaft. Alles klingt vertraut und doch fremd. Cashs Ansichten darüber, was es heißt, in dieser Welt ein Frau zu sein, zeigen, wie viel schief gelaufen ist.
Angesichts des Tsunamis der Missbrauchsgeschichten, der durch die #MeToo-Bewegung ausgelöst wurde, musste Cash jüngst der Tatsache ins Auge schauen, dass ihre Hoffnung, dass sich vieles im Laufe ihres Lebens zum Besseren ändern würde, wohl vergeblich war. Sie begann darüber nachzudenken, was es bedeuten würde, die weiblichen Narrative vollständig zu übernehmen.
Den Titel des neuen Albums kann man sowohl als Koketterie als auch als Drohung auffassen. “She Remembers Everything” könnte für positives “Sie erinnert sich an jeden Moment mit dir” stehen, aber auch für eiin warnendes “Sei vorsichtig, denn sie erinnert sich an alles”.
Auf ihren letzten drei Alben hatte sich Cash mit ihren Wurzeln auseinandergesetzt. “Black Cadillac” brachte sie vor zwölf Jahren heraus, nachdem in kurzem Abstand hintereinander ihre leibliche Mutter Vivian Liberto, ihre Stiefmutter June Carter Cash und ihr Vater Johnny Cash gestorben waren. “The List” von 2009 enthielt ein Dutzend Coverversionen von einer Liste mit 100 essenziellen Country-Songs, die ihr Vater für sie zusammengestellt hatte. Und ihr jüngstes Album, “The River & The Thread” aus dem Jahr 2014, enthielt Geschichten aus dem mystischen Süden der USA und wurde mit drei Grammys ausgezeichnet.
Hier richtet sie ihren Blick nun nicht mehr auf die Musikgeschichte und ihr Erbe, sondern betrachtet die Dinge vielmehr aus ihrer eigenen Perspektive. “She Remembers Everything” stellt eine bewusste Rückkehr zum sehr persönlichen Songwriting dar.
Mit diesem Album begeht Rosanne Cash zudem ihr 40-jähriges Jubiläum als Plattenkünstlerin.
Und so kann man hier Anklänge an die Stile nahezu aller ihrer bisherigen Aufnahmen finden, was dem Titel wiederum eine dritte Lesart verleiht. “She Remembers Everything” bündelt ein Leben in der Musik zu einem einzigartigen Liederzyklus, der universell und zeitlos ist.
“She Remembers Everything” wurde von Rosanne Cash mit einer Crew von mehr als einem Dutzend Musikern in New York City und Portland/Oregon aufgenommen. Cash schrieb alle Texte selbst - und für drei Songs auch im Alleingang die Musik -, während ihre Kollegen die restliche Musik gestalteten. An der Ostküste arbeitete die Sängerin mit John Leventhal zusammen, der schon seit zwei Jahrzehnten ihr Ehemann und musikalischer Mitverschwörer ist. An der Westküste nahm sie mit Tucker Martine auf, der bereits Künstler von Mavis Staples und Niko Case bis Bill Frisell und R.E.M. produziert hat.
Die Liste der musikalischen Partner, mit denen sich Cash umgeben hat, liest sich wie ein Songwriter-“Who’s Who”. Für “8 Gods Of Harlem” tat sie sich mit ihren langjährigen Freunden Elvis Costello und Kris Kristofferson zusammen. Colin Meloy von den Decemberists lieferte den Background-Gesang zu “The Only Thing Worth Fighting For” und “Rabbit Hole”. Das Titelstück “She Remembers Everything” stammt aus der Feder der Songschreiberin Sam Phillips, die gleich auch noch den Part der Background-Sängerin übernahm. Und Lera Lynn, die in den letzten paar Jahren als faszinierendes neues Indie-Talent von sich Reden machte, steuerte zusammen mit dem legendären T Bone Burnett auch einige Songs zu diesem Album bei (darunter zwei Stücke, die für die dritte Staffel der gefeierten HBO-Fernsehserie “True Detective” geschrieben wurden).
Die einzelnen Komponenten von “She Remembers Everything” überlappen sich nicht, sondern sind eher nahtlos miteinander verzahnt. Die Lieder gleichen kunstvollen Fabergé-Eiern, in denen Rasierklingen und Widerhaken verborgen sind.
Das Album selbst rechnet mit einer Welt ab, die einen umschlingt und verrät, manchmal im gleichen Augenblick. Es ist ein verhülltes Porträt von weiblichem Zorn und weiblicher Sehnsucht, weiblicher Liebe, weiblichem Wahnsinn und einer Vielzahl von Konfrontationen mit dem Tod.
Cashs Stimme scheint mit der Zeit immer volltönender und ausdrucksstärker zu werden. Von den gesundheitlichen Problemen, die sie in den zurückliegenden Jahren plagten (Stimmbandpolypen und eine Hirnoperation), scheint sie sich glänzend erholt zu haben. Doch die körperlichen und seelischen Traumata der letzten fünfzehn Jahre führten dazu, dass sich Cash mit der Sterblichkeit auseinandersetzte. Und dies wiederum spiegelt sich auch in ihren Songs wider. Es ist nur schwer vorstellbar, dass sie solche Lieder schon vor fünfzehn Jahren hätte schreiben können. Vielleicht hat man mehr mitzuteilen, wenn man meint, dass einem nicht mehr so viel Zeit bleibt.
Rosanne Cashs Image in der Öffentlichkeit - das von der engagierten Aktivistin, der Frau mit den elf Nummer-1-Hits, der Tochter der Country-Musik-Legende Johnny Cash - überstrahlt manchmal die eigentliche Musik der Künstlerin. Beim Anhören von “She Remembers Everything” sollte man erstere deshalb vollkommen vergessen und sich ganz auf letztere konzentrieren.
Veröffentlichung des Albums am 2.11.2018 (CD, CD Deluxe, LP, digital)
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